Molekulare Neurophysiologie
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Kalzium bindende Proteine

Schwerpunkt: Kalzium-bindende Proteine

Kalzium ist insbesondere auch in Neuronen zentrales Element eines komplexen Geflechtes intrazellulärer Regulationsvorgänge. Wie werden diese Prozesse in Zellen räumlich und zeitlich strukturiert, um einen unkontrollierten Cross-talk zu vermeiden? Es gibt hier zwei grundsätzliche Fragen: Wie werden die intrazellulären Inhomogenitäten der Kalziumverteilung, die Voraussetzung dieser Signalwirkung sind, erzeugt und ausgeformt, und, wie werden solche Inhomogenitäten in Signalketten übersetzt. Bei beiden Prozessen spielen kalziumbindende Proteine eine grosse Rolle.

Wir beschäftigen uns besonders mit der Rolle des zytosolischen kalziumbindenden Proteins Calbindin-D28k. Die Erstellung von generellen und konditionalen Nullmutanten war Grundlage unserer Analyse zur physiologische Bedeutung dieses Proteins (Airaksinen et al., 1997a; Barski et al., 2000; Barski et al., 2003). Calbindin spielt eine überraschende Rolle bei der von zerebellären Purkinjezellen abhängigen Bewegungskoordination. Diese wird sichtbar bei der Anzahl der Fehler bei der Platzierung der Füsse, die das Tier beim Laufen über einen schmalen Balken mit regelmässigen niedrigen Hindernissen macht. Fehlerfreies Laufen erfordert Anpassung der Schrittweite und -höhe an diese neue Umgebung. Mit diesem Verfahren testen wir vermutlich eine für freilebende Mäuse, die ständig neuen Umweltgegebenheiten (insbesondere auch in Fluchtsituationen) ausgesetzt sind, hochrelevante Fähigkeit der Adaptation von Bewegungsmustern. Generelle oder Purkinjezell-spezifische Nullmutanten machen an jedem der mindestens fünf aufeinanderfolgenden Testtagen signifikant mehr Fehler als Wildtyptiere, die nach zwei Tage ihre besten Ergebnisse erreichen. Das Defizit der Nullmutante ist stabil und kann auch bei Verlängerung des Testes nicht kompensiert werden. Zudem korreliert die Fehlerrate negativ mit der Breite des Laufsteges. Heterozygote Tiere, deren zerebelläre Calbindinkonzentration auf etwa 30-50% vermindert ist, haben ebenfalls signifikant erhoehte Fehlerraten, die aber unter denen der homozygoten Mutanten liegen. Die Kontrolle der Koordination von Bewegungen hängt also in physiologisch relevanter Weise vom hohen Calbindingehalt zerebellaerer Purkinjezellen ab.

Auf der zellulaeren Ebene finden wir bei beiden Mutanten starke Veränderungen in der Ausformung synaptisch evozierter Kalziumtransienten in distalen Dendriten von Purkinjezellen und dendritischen Dornen. Calbindin beeinflusst selektiv die Kinetik schneller AMPA Rezeptor abhängiger Transienten. Dagegen sind die nach Aktivierung metabotroper Glutamatrezeptoren beobachteten Transienten unverändert. Interessanterweise sind auch Auslösung und Aufrechterhaltung der long term depression an der Parallelfasersynapse unverändert.

Zur Untersuchung anstehende Fragen betreffen zum einen den subzellulären Wirkort des Calbindins: Wird es in Dendriten, dendritischen Dornen, im Soma, Kern oder Axon gebraucht?. Unsere Ansätze zur Beantwortung dieser Frage sind verbunden mit der Entwicklung einer neuen Methodik zum subzellulären Targeting von Genprodukten in Mausmutanten. Weitere Fragen zielen auf die biophysikalischen Eigenschaften der Kalziumbindung von Calbindin. Die relevanten Proteindomänen sind zwischen den Spezies hochkonserviert und deutlich unterschieden von denen eines vermutlich durch Genduplikation entstandenen Schwestermoleküls, des Calretinins. Sind diese biophysikalischen Eigenschaften verhaltensrelevant? Ist die Präzision der Bewegungskoordination z.B. durch die Kalziumaffinität des Calbindins determiniert? Diese Fragen können durch Expression entsprechender Proteinmutanten in Mäusen ohne endogenes Calbindin untersucht werden.

  • Airaksinen MS, Eilers J, Garaschuk O, Thoenen H, Konnerth A, Meyer M (1997) Ataxia and altered dendritic calcium signaling in mice carrying a targeted nullmutation of the calbindin D28k gene. Proc. Natl. Acad. Sci. USA 94, 1488-1493.
  • Schiffmann SN, Cheron G, Lohof A, d'Alcantara P, Meyer M, Parmentier M, Schurmans S (1999) Impaired motor coordination and Purkinje cell excitability in mice lacking calretinin. Proc. Natl. Acad. Sci. USA, 96, 5257-5262.
  • Vecellio M, Schwaller B, Meyer M, Hunziker. and Celio M (2000) Alteration in Purkinje-cell spines of calbindin D-28k and parvalbumin knock-out animals. Eur J Neurosci. 12, 945-954.
  • Barski JJ, Dethleffsen K, Meyer M (2000) Cre Recombinase Expression in Cerebellar, Purkinje Cells. Genesis 28, 93-98.
  • Barski JJ, Mörl K, Meyer M (2002) Conditional inactivation of the calbindin D-28k gene by Cre/loxP-mediated recombination. Genesis 32, 165-168.
  • Schwaller B, Meyer M, Schiffmann SN (2002)  “New” functions for “old” proteins: The role of the calcium-binding proteins calbindin D-28k, calretinin and parvalbumin, in cerebellar physiology. Studies with knockout mice. Cerebellum 1, 241-258.
  • Barski JJ, Hartmann J, Rose CR, Hoebeek F, Moerl K, Noll-Hussong M, De Zeeuw CI, Konnerth A, Meyer M (2003) Calbindin in cerebellar Purkinje cells is a critical determinant of the precision of motor coordination. J Neuroscience 23, 3469-3477.